BAU- UND SANIERUNGSGESCHICHTE
530 Jahre nach seiner Erbauung steht das Kleine Große Haus nun als Bürger- und Kulturhaus für Jung und Alt zur Verfügung. Seit 1998 sanierte die Stiftung Kulturdenkmal Kleines Großes Haus Blaubeuren das Gebäude. Heute lassen sich so wieder über fünf Jahrhunderte Tradition erleben.
DAS HERRSCHAFTLICHE HAUS
Das Kleine Große Haus wurde 1483 in einer Hochphase städtebaulicher Tätigkeit in Blaubeuren errichtet. Erbaut im alemannischen Fachwerkstil mit steinernem Erdgeschoss – eine Bauweise, die man sonst nur an den wichtigsten Gebäuden in Blaubeuren findet. Das Innere des Hauses spricht in seiner gesamten Anlage für eine repräsentative Nutzung durch wohlhabende Menschen: die Beletage mit zwei beheizbaren Stuben war mit sorgfältig verarbeiteten, verzierten und bemalten Wänden und Decken hochwertig ausgestattet. Der Bauherr ist nicht bekannt. Es ist naheliegend dass Adel oder Geistlichkeit die Auftraggeber waren. Es wird vermutet, dass der Baumeister des Klosters, Peter von Koblenz das Haus errichtet hat. Für die damalige Zeit war es modern und fortschrittlich, was viele Bauteile belegen. Das Haus wurde bis zur Reformationszeit vom Kloster als Pfarrhaus genutzt.
DER ALTAN-BAU
An der Südseite des Hauses wurde 1622 ein Altan angebaut und das Obergeschoss mit der heutigen Treppe erschlossen. Bauherr war der Untervogt Salomon Kieser. Er war der erste bürgerliche, wohl aber wohlhabende Eigentümer. Dieser erweiterte die Wohnflächen im ersten Stock und unterstrich zudem mit seiner aufwendigen Gestaltung schöner gedrechselter Säulen und Wandmalereien die Nutzung für repräsentative Zwecke. Im Zuge dieses Umbaus wurden außerdem im Untergeschoss Wände eingezogen, die die bis dahin existierende Halle in mehrere Räume aufteilte. Diese Maßnahme ermöglichte die Nutzung des unteren Geschosses als Stallungen. Der Altan-Anbau war der einzige größere Umbau in der Geschichte des Kleinen Großen Hauses.
BESITZERWECHSEL
Im Zuge der Reformation ging das Gebäude, vermutlich vom Kloster, in privaten Besitz über. Der erste private Eigentümer in einer Folge von Besitzerwechseln war der damalige Blaubeurer Obervogt Klaus von Grafeneck. Damit war das Gebäude zunächst noch in adliger Hand, gelangte aber 1622 in den Besitz des Bürgertums. Der absteigende soziale Status seiner wechselnden Besitzer spiegelte sich im Ansehen und im Zustand des Gebäudes wider. Es war für die bürgerliche Oberschicht nicht mehr nutzbar und wurde deshalb nach Ende des Dreißigjährigen Krieges 1650 an eine vermögende Handwerkerfamilie verkauft. Zunächst in zwei, später in weitere Teile aufgeteilt, wurde das Haus über Jahrhunderte von mehreren Familien gleichzeitig bewohnt. 1830 wurden Teile des Hauses verkauft und geringfügig umgebaut. Bis zum Ende des Jahrhunderts entstanden auf dem Erbweg fünf Hausparteien: Es waren Handwerker, die ihre Werkstätten im Haus betrieben und später auch Arbeiter. Die zersplitterten Eigentumsverhältnisse hatten zur Folge, dass allenfalls schwerwiegende Schäden des Hauses repariert und renoviert wurden. Größere Renovierungs- oder gar Umbauarbeiten fanden nicht statt. Auch die Armut der Eigentümer führte dazu, dass keine nennenswerten Eingriffe in die Substanz des Hauses erfolgten. Dadurch ist der Baubestand in außergewöhnlicher Weise nahezu vollständig erhalten.
„KLEINES GROSSES HAUS“
Bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts herrschten unvorstellbare Zustände im Haus: etwa 15 Menschen hausten zusammen mit Stalltieren unter einem Dach. Es waren dort außerdem verschiedenste Werkstätten wie Dreherei, Weberei und im Anbau eine Küferei untergebracht. Die Folgen für die Substanz des Gebäudes waren verheerend. Die Situation im „Großen Haus“ zwei Häuser straßenaufwärts, war ähnlich elend und so erhielt es wahrscheinlich aufgrund dieses Umstandes den Namen „Kleines Großes Haus“. Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Bezeichnung erstmals schriftlich dokumentiert.
IM LETZTEN JAHRHUNDERT
Erstmalig wird zwischen 1926 und 1928 mit Zuschüssen der Stadt und des Denkmalamtes eine fachgerechte Instandsetzung der Fassade durchgeführt. 1985 bewohnen 3 Eigentümer das Haus. Dann erwirbt es die Stadt Blaubeuren um es im Zuge der Stadtsanierung restaurieren zu lassen. Die ursprüngliche Planung, zeitgemäße Wohnungen einzubauen scheitert an der Entdeckung vieler erhaltungswürdiger Denkmaldetails im Gebäude. Ein öffentliche Nutzung würde überlegt. 1997 bereitet die Stadt eine Bürgerstiftung vor, die bereit ist, die denkmalgerechte Nutzung zu organisieren und zu finanzieren. 8 Stifter und Spender ermöglichen 1998 die Errichtung der Stiftung, der die Stadt das Gebäude übereignet. Das Haus soll ein Haus der Bürger für Bürger werden.
IM NEUEN ALTEN GLANZ
1997 erging der Auftrag zu Renovierung mit dem Ziel, die alte Raumstruktur des Hauses wieder herzustellen und die Denkmalbefunde zu erhalten und dar zu stellen. Nach einer statischen Sicherung des Altbaus und der Beseitigung eines Anbaus wurde in einem neuen Anbau eine zeitgemäße Infrastruktur u.a. mit Aufzug, zweiter Treppe und barrierefreier Sanitäreinrichtung installiert. Das Haus wurde mit zeitgemäßer Haustechnik ausgestattet und aufwändig an Decken und Innenwänden restauriert. Die Fassade wurde nach einem Befund von 1622 neu gestaltet. 2013 kann das Haus der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Die Stiftung hat ca. 2,3 Mio. Euro in das Haus investiert. Etwa die Drittel der Mittel wurde aus öffentlichen Geldern und Zuschüssen der Denkmalstiftungen finanziert. Die anderen Beträge kamen von Stiftern und Spendern aus der Bevölkerung und der regionalen Wirtschaft. Nach 15 Jahren erstrahlt das wichtige Kulturdenkmal in neuem Glanz und steht für Veranstaltungen zur Verfügung. Das Haus ist ein Juwel im Kreis der vielen schönen Gebäude der Stadt Blaubeuren geworden.
DEUTSCHER FACHWERKPREIS 2015
Am 23. April wurde dem Kleinen Großen Haus von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e.V. für besonders vorbildliche und beispielhafte Sanierung und für das große Engagement der Stiftung der „Deutsche Fachwerkpreis 2015“ verliehen.
SANIERUNGSPREIS 2016
Die Sanierung des Kleinen Großen Hauses in der Webergasse in Blaubeuren wurde mit dem Sanierungspreis 2016 bedacht. Dieser ist mit einem Preisgeld von 1.500 Euro dotiert und stellt eine Auszeichnung für ein hervorragend saniertes Objekt im Rahmen der vorbildlichen Innenentwicklung dar.
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Mehr zur Historie des Kleinen Großen Hauses finden Sie im aktuellen Infoflyer als PDF-Datei zum Herunterladen.